Leonhard Wismair
Elekt
1456 – 1458
von Albert Fischer
Leonhard Wismair war bürgerlicher Herkunft und stammte aus der Erzdiözese Salzburg. Das Universitätsstudium beendete er als ‘Doctor decretorum’. Von 1442 bis 1444 wird er als Pfarrer von Kolsass (Diözese Brixen) erwähnt. Enge Bekanntschaft pflegte Wismair mit Erzherzog Sigismund von Österreich, der ihn 1446 zum Pfarrer von Tirol bei Meran (Diözese Chur) bestimmte. Zudem wurde Wismair am Innsbrucker Hof Geheimer Rat, Kanzler von Tirol und 1452 Salzmeister von Hall. Kanonikate hatte er sowohl in Brixen als auch in Chur inne. Auf Druck Sigismunds wählte das Brixner Domkapitel ihn am 14. März 1450 zum Bischof, doch konnte er sich als Anhänger des Basler Konzils und des Gegenpapstes Felix V. (1439–1449) gegen den von Papst Nikolaus V. (1447–1455) unterstützten Kardinal Nikolaus von Kues (Bischof von Brixen, 1450– 1464) nicht durchsetzen.
Ebenfalls unter Einfluss Erzherzogs Sigismund wählte am 28. Februar 1453 ein Teil des mit dem bischöflichen Administrator Heinrich von Hewen zerstrittenen Churer Domkapitels Wismair zum Bischof. Papst Nikolaus V. erklärte am 14. April die Wahl für ungültig und exkommunizierte Wismair samt seinen Anhängern. Es gelang dem Gewählten jedoch, mit Unterstützung seines Günstlings Sigismund und Kaisers Friedrich III. die weltliche Herrschaft an sich zu reissen und das Bistum von Chur aus zu verwalten. Hewen vermochte nur mehr in Vorarlberg und im Vinschgau geistliche Amtshandlungen vornehmen. Am 4. Juni 1455 erhielt Wismair die Reichsregalien. Hewen verlor mehr und mehr die Unterstützung durch die römische Kurie; am 10. Mai 1456 entzog ihm Papst Calixt III. die Administratur und ernannte Antonio de Tosabeciis aus Padua zum Churer Bischof (1456). Nach dessen frühzeitigen Tod durch einen Schlaganfall unmittelbar vor der Bischofsweihe am 1. Oktober 1456 erbaten der Kaiser und die Stadt Chur in Rom Wismair als Nachfolger. Am 12. November 1456 löste Calixt III. Leonhard Wismair von den kirchlichen Zensuren mit der Auflage, während dreier Monate keine Amtshandlung vorzunehmen.
Das Bistum Chur befand sich zum Zeitpunkt der Amtsübernahme Wismairs im Spannungsfeld der sich politisch neu organisierenden und nach Autonomie strebenden Bündner Gemeinden und des Tiroler Landesfürsten. Um 1450 schlossen sich die drei Bünde (Gotteshausbund, Grauer oder Oberer Bund und Zehngerichtenbund) enger zusammen. Der Gotteshausbund hatte sich im 14. Jahrhundert aus den Konglomeraten der bischöflichen Herrschaftsgebiete gebildet. Vom Domkapitel, bischöflichen Ministerialen und Untertanen gegen den Ausverkauf des Bistums Chur an Österreich-Tirol gerichtet, wandelte er sich von einem Ständebündnis immer mehr zu einer reaktionären Aufsichtsbehörde über das Bistum Chur. Dabei übernahm im 15. Jahrhundert die nach Unabhängigkeit vom Bischof strebende Stadt Chur eine führende Rolle. Vereint mit den Talschaften des Gotteshausbundes und zeitweilig auch mit Unterstützung von Mitgliedern aus dem Domkapitel wandte sich die Stadt immer mehr gegen den Churer Bischof, dem nominellen Haupt des Gotteshausbundes.
In Bünden, wo Wismair im Engadin den Bergwerksbetrieb stark förderte, bemühte er sich um einen kirchenpolitischen Ausgleich, konnte den Erfolg jedoch nicht erleben, da er bereits am 20. Mai 1458 an einem Herzleiden starb, ohne die Bischofsweihe empfangen zu haben. Er wurde bei der Churer Kathedrale beigesetzt.