Heinrich V. von Hewen
1491 – 1505
von Albert Fischer
Heinrich von Hewen entstammte einem schwäbischen Freiherrngeschlecht aus dem Hegau. Er war Sohn des Friedrich von Hewen (✝1461/65) und der Adelheid Gräfin von Eberstein sowie Neffe des früheren Churer Administrators und Konstanzer Bischofs Heinrich IV. (1441–1456). Als Kanoniker von Konstanz studierte Hewen 1472 in Freiburg i. Br.; ferner bekleidete er einen Chorherrenposten in Beromünster, findet sich seit 1478 in der Kanonikerliste von Strassburg (Kustos) und schliesslich seit 1485 neben dem Domdekanenamt in Konstanz als Domherr in Chur.
Am 8. August 1491 wählte ihn das Churer Kapitel zum Bischof. Die päpstliche Bestätigung erfolgte am 9. September des gleichen Jahres. Die Reichsregalien wurden ihm am 13. Dezember 1491 verliehen. Am 16. Oktober 1491 nahm Heinrich V. von seinem Bistum Besitz; Ort und Datum seiner Bischofsweihe sind unbekannt.
In der Auseinandersetzung mit der Stadt Chur um die unter seinem Vorgänger Ortlieb von Brandis verkaufte Reichsvogtei konnte Heinrich V. zunächst einige Erfolge verzeichnen. Nach wiederholten Streitigkeiten um althergebrachte Jagd- und Fischereirechte zwischen dem Bischof und der Stadt schlug Kaiser Maximilian I. (1493–1519) vor, die Reichsvogtei zwischen den Kontrahenten aufzuteilen. Hewen begab sich deswegen 1495 auf den Reichstag nach Worms; dort wurde er wider Erwarten in die Kommission zur Beratung für eine Reichsreform (Schaffung des Reichskammergerichts für das gesamte Reichsterritorium und die Erhebung einer allgemeinen Reichssteuer) gewählt. Eine vollumfängliche Rückerstattung der 1464 eingelösten Reichsvogtei an das Bistum gelang nicht; doch vermochte der Bischof zu verhindern, dass Chur vom Kaiser zur freien Reichsstadt erhoben wurde.
Erfolglos war Hewen in den Auseinandersetzungen zwischen den Eidgenossen und den Bündnern einerseits und Kaiser Maximilian I. andererseits. Seine Vermittlungen scheiterten, was zu einer starken Trübung der bis anhin ausgezeichneten Beziehungen zu Österreich führte. Um sich von den Bündnern nicht gänzlich zu isolieren, durfte er sich Österreich weder anschliessen noch uneingeschränkt unter dessen Schutz stellen, beanspruchte doch der Gotteshausbund, von einem Teil des Churer Domkapitels unterstützt, weitere bischöfliche Herrschaftsrechte. Auf bündnerischen Druck hin begab sich Heinrich V. in die Feste Fürstenburg im Vinschgau. Eine am 2. Februar 1499 in Glurns zustande gekommene Vereinbarung, die gewichtigen Anstände zwischen Bünden und Österreich gütlich zu regeln, wurde von der Regentschaft in Innsbruck als illegal bezeichnet und verworfen. Über den Churer Bischof als Beteiligten am ‘Glurnser-Abkommen’ und seinen Untertanen wurde am 15. Februar die Reichsacht verhängt, was einer Kriegserklärung gleichkam.
Beim Ausbruch des sog. Schwaben- oder Schweizerkrieges 1499 geriet der Bischof auf der Fürstenburg in österreichische Hände, doch gelang ihm die Flucht nach Strassburg.
Der aus dem Krieg mit Österreich vorübergehend gestärkt hervorgetretene Gotteshausbund (Sieg an der Calven am 22. Mai 1499 und Frieden zu Basel am 22. September 1499) betraute in der Folge aufgrund der Abwesenheit des Bischofs vier Männer, darunter den ehemaligen Domkustos Franziskus della Porta (1466–1492) und den Churer Bürgermeister Hans Locher, mit der Regentschaft über das Bistum. Diese walteten recht willkürlich und verkauften bischöflichen Besitz, um die enormen Kriegsschulden zu bezahlen.
Im Januar 1500 kam Heinrich von Hewen von Strassburg in das Prämonstratenserkloster Rüti/ZH mit der Absicht, von seinem Bistum wieder Besitz zu ergreifen. Als er auf Veranlassung und Vermittlung der Stadt Zürich, dessen Bürgerrecht er besass, am 3. März nach Chur zurückkehrte, trat die vierköpfige Regentschaft aber nicht zurück. Hewen sah sich gezwungen, erneut in den Vinschgau auszuweichen. Im Zuge der Verhandlungen in Feldkirch 1503 bezüglich Konkretisierung der Beschlüsse von Basel (1499) willigte Hewen schliesslich in die Bestellung eines Diözesanadministrators in der Person von Paul Ziegler ein; auch das Domkapitel und der Gotteshausbund gaben ihre Zustimmung. Im März 1504 übertrug Heinrich V. die weltliche Verwaltung des Bistums dem Domkapitel. Die römische Kurie versagte dem Administrator zunächst die Bestätigung; erst nach der Resignation Hewens konfirmierte Papst Julius II. (1503–1513) am 6. Mai 1505 Paul Ziegler. Nach Festsetzung einer jährlichen Pension als Abfindungssumme begab sich Heinrich V. endgültig nach Strassburg, wo er bis dato immer noch die Würde des Domkustos bekleidete.
Dem Gotteshausbund war es mit der Ablösung Hewens wohl gelungen, die bischöfliche Herrschaft in Bünden längst vor der Reformation massiv zurückzudrängen; doch lag Bünden anders als die Eidgenossenschaft, welche sich nach dem Schwabenkrieg faktisch aus dem Reichsverband gelöst hatte, weiter im Einflussbereich der erstarkenden Macht Österreichs.
Heinrich V. von Hewen, dem das geistliche Wohl seines Bistums Chur eigentlich sehr am Herzen lag – dies bezeugen mitunter die von ihm 1491 einberufene Diözesansynode und die dort erlassenen sowie später gedruckten Konstitutionen –, und der als ein Opfer der politischen Machtverhältnisse in Bünden an der Schwelle zum 16. Jahrhundert gesehen werden darf, starb zwischen dem 16. November 1519 und dem 30. Juni 1520 in Strassburg und wurde daselbst beigesetzt.